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La Verdadera Destreza

Die größte Rolle spielt dabei aber das Fechten mit dem Seitschwert (vom italienischen Spada da Lato), das sich im 15. Jahrhundert nach und nach aus dem mittelalterlichen Schwert entwickelt hat bzw. dem ab ca. 1650 verbreiteten Glockenrapier. 

 

Als Begründer dieses Fechtsystems gilt Jerónimo Sánchez de Carranza mit seinem Buch De la Filosofía de las Armas y de su Destreza y la Agression y Defensa Cristiana von 1569. Carranza war ein Hauptmann des spanischen Militärs, Höfling sowie Gouverneur von Sanlúcar de Barremeda und Gouverneur und Kapitän-General von Honduras in Neu-Spanien.

 

Einer der wichtigsten Destreza-Autoren war aber sein mutmaßlicher Schüler Luis Pacheco de Narváez mit einem seiner wichtigsten Werke Nueva Ciencia, y Filosofía de la Destreza de las Armas, welches ca. 1672 veröffentlicht wurde. Pacheco war Oberster Fechtmeister und mit der Zertifizierung neuer Fechtmeister betraut, was er dazu nutzte, La Verdadera Destreza zu verbreiten.

In seinen frühen Werken publizierte und veröffentlichte er viele Lehren Carranzas, stand diesem aber später zusehends kritischer gegenüber. Dies geschah vermutlich auch in der Absicht sich bewusst von Carranza abzugrenzen. 

 

Ein weiterer interessanter Autor ist Francisco Antonio de Ettenhard (Tenarde) y Abarca. Francisco Antonio de Ettenhard wurde ca. 1650 geboren und verstarb etwa um 1701. Er diente sowohl König Carlos II. als auch König Philipp V. und war Hauptmann der deutschen Garde des Königs. Er gilt als einer der vier großen Meister von La Verdadera Destreza (Anmerkung: neben Carranza, Pacheco und Rada). In seinen Werken führt er sehr ausführlich aus, wie man dem italienischen Stil des Fechtens entgegenwirken kann. Eines seiner bekanntesten Werke mit dem Titel Compendio de los Fundamentos de la Verdadera Destreza y Filosofía de las Armas stammt aus dem Jahr 1675 und wurde in Madrid veröffentlicht. Neben dem Kompendium schrieb er das Werk El Diestro italiano y español, gedruckt im Jahre 1697. Seine Werke setzen die Lehre von Pacheco fort, als dessen Anhänger er sich bezeichnete.

 

Der letzte wichtige Vertreter des klassischen Destreza Kanons war Francisco Lorenz de Rada mit seinem Werk Nobleza de la Espada aus dem Jahr 1705. Es gab nach ihm noch weitere Autoren, die nun aber zunehmend durch französische und italienische Einflüsse geprägt wurden. Nicht zuletzt lösten die französischen Bourbonen Anfang des 18. Jahrhunderts die spanischen Habsburger auf dem spanischen Thron ab, was auch gesellschaftliche Folgen nach sich zog und wodurch sich französische Mode, Sitten und Gebräuche verbreiteten.

 

Zu nennen wäre auf jeden Fall noch Gerard Thibault d'Anvers mit seinem Buch Academie de l'Espée, welches 1630 veröffentlicht wurde. Er gehört, nach herrschender Meinung, nicht zum klassischen Destreza Kanon. Pacheco selbst nannte ihn in einem seiner Werke einen Verfälscher der wahren Kunst, der Destreza verkompliziere. Über die Gründe und Zusammenhänge kann viel spekuliert werden. Thibault war zweifelsohne durch La Verdadera Destreza beeinflusst und sein Werk weist viele Gemeinsamkeiten mit La Verdadera Destreza auf. Er war allerdings nicht adeliger Herkunft, sein Heimatland (geb. in Antwerpen) befand sich mit Spanien im Krieg und sein Werk wurde dem französischen König Ludwig dem XIII. gewidmet, was in den Kontext miteinbezogen werden sollte. Die genaue Einordnung bedarf daher weiterer Forschung. Es muss erwähnt werden, dass Thibaults Buch auch - aufgrund  der sehr aufwendig gestalteten Kupferstiche - von ungeheurem künstlerischem Wert ist.

 

Es sind ungefähr über 30 Werke zu La Verdadera Destreza bekannt. Die Autoren von La Verdadera Destreza waren größtenteils Adelige, die sich durch das Fechten nicht ihren Lebensunterhalt verdienten. Es ist davon auszugehen, dass der volle Zugang zu diesem System daher auch, zumindest anfangs, nur dieser Gesellschaftsschicht zugänglich war. Das volle Verständnis setzte einen Bildungsstandard, beispielsweise in Philosophie und Geometrie voraus, der damals nicht jedem Menschen zugänglich war. Der zeitgenössische Schriftsteller Francisco de Quevedo macht sich daher auch in einem seiner Werke (El Buscón) über Fechter lustig und bezeichnete sie als Narren, weil sie dieses System anscheinend lernen und praktizieren wollten, aber nicht in der Lage waren es zu verstehen.

 

Für La Verdadera Destreza ist charakteristisch, dass der Diestro (eine Person, die Destreza studiert) in aufrechter Position, leichtfüßig und in kontinuierlicher Bewegung gefochten wird. Das System ist philosophisch und naturwissenschaftlich stark durch die Lehren von Aristoteles, Platon und Euclid geprägt. Erklärungen basieren auf Mathematik bzw. Geometrie. 

 

La Verdadera Destreza könnte mit “wahre(r) Kunst(fertigkeit) oder Geschicklichkeit” übersetzt werden.

 

Destreza galt als eine Form der Selbstverteidigung, weswegen der Selbstschutz eine große Rolle spielt. Zudem sollte, vom christlichen Gedanken getragen, auf die Intensität der Gewalt des Angreifers auch dementsprechend angemessen und verhältnismäßig reagiert werden. Die Entwaffnung des Gegners (Movimento de Conclusion) und die Möglichkeit diesem Gnade zu gewähren war das größte Ziel, dass ein Diestro im Kampf erreichen konnte.

 

Der fechterische Ansatz von La Verdadera Destreza besteht darin, die gegnerische Waffe durch eine Überbindung zu kontrollieren, um auf diese Weise einen möglichst sicheren Angriff zu setzen. Treffen ohne getroffen zu werden heißt hier die Maxime. In der Theorie soll es dem Gegner durch die Kontrolle der eigenen Ebenen und Kontrolle der Fechtlinie (erste Vertikale Ebene genannt) unmöglich gemacht werden, den Diestro zu treffen. Dies bewerkstelligt er durch nichtlineare Fußarbeit und auf der stetigen Suche nach günstigen Winkeln für Angriff und Verteidigung. Darüber hinaus soll der Diestro bemüht sein, keine extremen Bewegungen auszuführen. Beispielsweise ein extrem langer Ausfallschritt wäre daher nicht im Sinne des Systems, gleichwohl werden kleinere Ausfallschritte in Radas Werk dargestellt. 

Ein interessanter Punkt ist auch das erforderliche Mindset, bei dem Geduld eine immens wichtige Rolle spielt. Ist der Diestro zu fixiert einen eigenen Treffer zu setzen, so wird er erfahrungsgemäß oft auch selbst getroffen. 

 

Im Kontrast dazu stand das sog. Vulgar oder Esgrima Commun (sog. gewöhnliche Fechten), das älteren Ursprungs war. Die Destreza-Autoren wurden nicht müde darzustellen, dass sie diese Art und Weise zu fechten ablehnten. Auch wenn es wohl einige Versuche gegeben haben soll, das gewöhnliche Fechten auf Ausbildungsbasis einzudämmen, konnte es letztlich nie verdrängt werden. Einer der wichtigsten überlieferten Autoren zum Vulgar ist der Portugiese Luis Domingo Godinho, dessen Buch von 1599 aber nicht veröffentlicht wurde.

 

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